Männliches Verhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen

Das Fach der Männlichkeitsstudien rückt mit den Methoden der Genderforschung Männer in den Mittelpunkt der Betrachtung

Der letzte Punkt der fünf Kriterien wieso dieser Blog pro-feministisch ist. Dabei versuche ich einen kleinen Blick auf einen Ausschnitt der Männlichkeitsstudien zu werfen. Zudem diskutiere ich einige Gefahren und Kritik an dem Ansatz und der Einbindung von Männern in das feministische Projekt der Gleichstellung.

Männlichkeitsstudien steckt noch in den Kinderschuhen

Der in pro-feministischen Männlichkeitsstudien viel rezipierte Ansatz zu „hegemonialer Männlichkeit“ von Raewyn Connell ist sicherlich interessant für Männer. Traditionelle Wissenschaft liegt „eine Kategorie „Mann“ zugrunde, die das allgemein Menschliche mit dem Männlichen gleichsetzt“. Pro-feministische Männlichkeitsstudien werfen einen Blick auf Männer aus der Perspektive der Genderwissenschaften. Dies kann als Wissenschaftliche Grundlage für eine Praxis der kritischen Männlichkeit dienen (wie zum Beispiel im Text Kritische Männlichkeit: Eine theoretische Hinführung zu einer praktischen Perspektive vorgeschlagen wurde. Als weitere einführende Texte zu Männlichkeitsstudien kann ich empfehlen: Martschukat, Stieglitz: „Geschichten der Männlichkeiten“ 2. Auflage, 2018, S. 36-51; Lothar Böhnisch: „Männerforschung: Entwicklung, Themen, Stand der Diskussion“, in: APuZ, 40/2012, S. 24-30; Kritische Männerforschung: Entstehung, Verhältnis zur feministischen Forschung, Kritik; Männlichkeitsanforderungen (PDF); Queer Lexikon: (Kritische) Männerforschung.) Ein sehr guter Blog, der sich mit aktuellen Themen von Männlichkeitsstudien befasst ist übrigens MensStudies.eu.

Machtverhältnisse unter Männern

Connell nimmt Machtverhältnisse auch unter Männern in den Blick. Hegemoniale Männlichkeit darf auch hier nicht als starres Konzept verstanden werden und ist mit anderen Diskriminierungsmustern wie Rassismus und Klassizismus verstrickt. Connell geht davon aus, dass nur wenige Männer eine wirklich übergeordnete (hegemoniale) Stellung einnehmen und diese nicht mehr wie früher auf unmittelbarer Gewaltandrohung basiert. Wir alle kennen Macht unter Männern spätestens aus der Schule und der Angst davor ausgegrenzt und gemobbt zu werden. Die meisten Männer nehmen dabei wohl die Position des Mitläufers ein (nach Connell „komplizenhafte Männlichkeit“). Genau gegen diese Komplizenschaft müssen wir kündigen.

Hier versuche ich einen kleinen Blick auf die Männlichkeitsstudien zu werfen und diskutiere Gefahren und Kritik an der Einbindung von Männern in Feminismus
(Lewis Hine, Power house mechanic working on steam pump, Wikimedia Commons)
Die privilegierte Position von Männern im Blick behalten

Dabei werden bei dem Ansatz die Vorteile, die Männer gegenüber Frauen in diesem System bekommen, betont. Diese Ansätze sollten nicht dafür verwendet werden, auch in die Position des Anklägers zu kommen. Oder dies alles als ein Problem zu begreifen, welches zwar andere Männer betrifft, aber nicht mich selbst. Diesen Eindruck könnte zum Beispiel der lesenswerte Text Rudel der Schuhgucker: Das Patriarchat unterdrückt auch Männer. Aber warum wehren sie sich nicht? erwecken. Dort wird ein „Rudelführer“ beschrieben, wie er nicht nur ein ganzes Zugabteil unter seine Kontrolle bringt, sondern auch sein „Rudel“ kontrolliert („Ey, Stephan! Hast‘n du jetzt schon gefickt?“).

Die Ansätze um kritische Männlichkeit haben auch nichts mit der Frage zu tun, ob ich mich jetzt als rechter (mit mehr oder weniger offensichtlichen frauenverachtenden Weltbildern) oder linker Mann betrachte (siehe: Linke Männer oder wie ich Feministin wurde), oder ob ich von derartigen Positionierungen nichts halte. Patriarchale Sozialisation und starke anti-feministische Einflüsse betreffen ausnahmslos alle Männer. Diese Selbsterkenntnis ist aus meiner Sicht der erste Schritt zur Besserung. Wenn wir erst einmal verlernt haben auf unsere Gefühle zu hören, ist es ein langer Weg da wieder raus zu kommen. Sobald wir denken, es gäbe speziell männliche oder weibliche Handlungen, Fähigkeiten, Berufe und Klamotten, sind wir in Sexismus lastiger Zweigeschlechtlichkeit gefangen. Wenn wir unsere Sexualaufklärung vor allem mit frauenverachtenden Pornos aufwachsen, ist es schwer diese Bilder wieder loszuwerden.

Radikale Forderungen unterstützen, nicht verwässern

Es gibt selbstverständlich viele Ansätze, die versuchen Männer in das Feministische Projekt der Gleichstellung aller Menschen einzubinden. In „The turn to men in gender politics“ wird z.B. #HeForShe und weitere Versuche untersucht und kritisiert, da:

  1. Die Ansätze verlangen oft relativ wenig von Männern (ein schlichtes Bekenntnis zu Feminismus ist nicht ausreichend)
  2. Gleichzeitig überschütten sie Männer mit relativ viel Lob (Mann ist noch kein Feminist, nur weil Mann sich wie ein normaler Mensch verhält, also z.B. Frauen nicht zu sexuellen Handlungen zwingt und versucht Hausarbeit gleichmäßig zu verteilen)
  3. Sie stärken gegebenenfalls Männlichkeitsideale und patriarchales Denken indem sie den Mann als Beschützer gegenüber Mutter, Frau und Tochter propagieren
  4. Indem alle ganz einfach zu Feminist*innen werden, verwässern sich radikale Forderungen

Daher brauchen wir einen radikalen Feminismus. Ein radikaler Feminismus fordert einen Kulturbruch. Und das bedeutet Arbeit auch für Männer. Mal davon abgesehen, dass ich denke, wir haben eine moralische Verpflichtung diesen Kampf zu unterstützen, glaube ich auch, dass sich diese Auseinandersetzung auch für Männer lohnt.

Hier findet Ihr die fünf vorgeschlagenen Kriterien, die zu beachten sind, um sich pro-feministisch mit Männlichkeit auseinander zu setzten:
  1. Reflektieren männlicher Privilegien
  2. Stereotype (über Männer, Frauen und alle anderen) vermeiden
  3. Feministische Perspektiven und Kritik ernst nehmen
  4. Nicht davon ausgehen, dass Frauen* die gleichen Erfahrungen gemacht / Feministin*nen eine einheitliche Position haben
  5. Männliches Verhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen


Dies ist ein pro-feministischer Blog, der sich mit Themen der Männlichkeit und darüber hinaus auseinandersetzt. Wenn Du zum ersten mal hier bist, lohnen sich vielleicht diese zwei Texte: Was ist kritische Männlichkeit? und Herangehensweise an kritische Männlichkeit.

Ein Kommentar zu “Männliches Verhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen”

  1. Klassizismus ist keine Form von Diskrimierung. Wenn Frauen* und kritische Profeministen nicht mehr in ihre Bildung investieren, sehe ich schwarz in Sachen Abschaffung von Patriarchat, Kapitalismus und Meinungsfreiheit. Kritische Männlichkeit ist eine sehr gute Idee, allerdings nur, wenn man es gerne hat, dass andere einen nicht ernstnehmen,weil man Thesen vertritt, die so absurd radikal sind, das ein erheblicher Teil der Leser mit fassungslosem Staunen zurückbleibt.

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