Dieser Text versucht sich mit etwas wie einer Definition von kritischer Männlichkeit. Hier gibt es einen Text über dieses Blogprojket Kritische Männlichkeit.
Männlichkeit sollte nicht mit alle Männer verwechselt werden
Daher geht es hier weder um die Summe dessen was alle Männer sind, noch darum tatsächliche Männer zu beschreiben. Männlichkeit beschreibt idealtypische Männlichkeitsbilder. Von diesen Idealtypen ausgehend entstehen (kulturelle) Anforderungen und Muster, mit denen sich alle auseinandersetzten müssen, die von sich und/oder anderen als Männer betrachtet werden. Es geht um Anforderungen um als „richtiger“ Mann akzeptiert zu werden.
Ziel ist die Reflexion der Anforderungen um als „richtiger“ Mann akzeptiert zu werden
Diese Männlichkeitsbilder und -anforderungen sind nicht leicht zu beschreiben, da sie sich je nach kultureller Zugehörigkeit, sozialem Umfeld, Zeit und Ort verändern. Diese Anforderungen, also all die Aussagen zusammengenommen „wie Männer nun mal so sind“ bzw. „sein müssen“, haben tatsächliche Auswirkungen auf das Verhalten von Männern. Männlichkeitsbilder sind im Umbruch und umfassen ein Durcheinander wie z.B. den minnesingenden Ritter oder den erfolgreichen (IT-)Unternehmer.
Beispiele von Männlichkeitsanforderungen sind:
- Andauernd stark, cool und souverän zu sein
- Führungsanspruch und Dominanz zu zeigen
- Mut und Risikobereitschaft zu demonstrieren
Diese gesellschaftlichen Vorstellungen von Männlichkeit sind bereits vor und während unserer Pubertät sehr (wirk)mächtig. Sie beschränken sich nicht nur auf Männer und sind nicht unbedingt negativ. Problematisch ist jedoch, dass uns eingetrichtert wird, dass Männer sich im großen und ganzen so verhalten müssen. Männer gehen unterschiedlich damit um, können sich diesen aber nicht vollständig entziehen. Zumal funktioniert Männlichkeit vor allem durch Abgrenzung gegenüber Weiblichkeit und unterdrückten Männlichkeiten, wie insbesondere homosexuellen Männern. Schließlich werden „Schwul“ und „Mädchen“ nach wie vor als Schimpfwort verwendet.
Toxische Männlichkeit schadet auch Männern
Andauernd droht die Gefahr des Scheiterns und Ungenügens. Dieser Druck auf Männer sich männlich (genug) zu verhalten bringt allerlei ungesundes Verhalten mit. Diese lassen sich vielleicht unter dem Begriff „toxische Männlichkeit“ sammeln. Dieses ungesunde Verhalten betrifft alle Menschen, ob sie nun Männer sind oder nicht und ob sie in der Hierarchie von Männern oben oder unten stehen. Ein wesentlicher Punkt ist dabei die Hierarchisierung unter Männern. Männer erschaffen Machtverhältnisse und profitieren (unterschiedlich) von ihnen. Gleichzeitig sind sie diesen aber auch unterworfen.
Beispiele toxischer Männlichkeit sind:
- Keine Schwäche zeigen, nicht zu weinen, Gefühle nicht zuzulassen
- Gewalt gegen Frauen* und Männer
- Selbstgefährdung und Selbstverletzung
Die Parallelen zu den oben genannten Männlichkeitsanforderungen sollten auffallen.
Toxische Männlichkeit schadet natürlich auch allen anderen Geschlechtern
Dass toxische Männlichkeit Frauen* (bzw. FLINT*-Personen) schadet, wird in der aktuellen Debatte (Stichwort: #MeToo) zu Recht andauernd hervorgehoben. Daher stelle ich diesen Punkt hier hinten an. Mir geht es nicht darum zu behaupten, dass toxische Männlichkeit vor allem Männer schädigt oder Männer hätten keine Machtposition in unserer Gesellschaft. Das Gegenteil ist der Fall! Wir Männer dürfen uns da nicht aus der Verantwortung stehlen. Ich glaube aber, dass eine kritische Betrachtung von Männlichkeit auch für Männer viel Vorteile bietet. Männer, die in der aktuellen Debatte um Sexismus in Deutschland Teil der Lösung und nicht des Problems sein wollen, sollten sich unbedingt auch deshalb mit kritischen Männlichkeiten auseinandersetzen.
Definitionsversuch: Kritische Männlichkeit
Kritik setzt das Mögliche gegen das Existierende. Kritische Männlichkeit_en bedarf erstmal ein Sichtbarmachen der Männlichkeitsbilder, Männlichkeitsanforderungen, (toxische) Verhaltensweisen von Männern und eben auch unmittelbar damit verknüpftem Sexismus. Kritische Männlichkeit muss alternative Männlichkeitsbilder unterstützen, die Relevanz der Männlichkeitsanforderungen reduzieren und sexistisches Verhalten von Männern aktiv eindämmen und verändern.
Dabei ist eine machtkritische Perspektive zwingend, die insbesondere feministische Positionen ernst nimmt, männliche Privilegien aufzeigt, Stereotype vermeidet und männliches Verhalten in den Mittelpunkt stellt. Denn erst die Arbeit von Feministin*nen hat es möglich gemacht diese Zusammenhänge zu verstehen. Ziel einer Praxis der kritischen Männlichkeit ist es mehr Freiheiten für Männer und einen besseren Umgang unter den Geschlechtern zu ermöglichen.
Alle Männer haben kritische und toxische Männlichkeit in sich
An dieser stelle möchte ich betonen, dass ich nicht glaube, dass es Männer gibt, die ausschließlich toxisch oder ausschließlich kritisch sind. Viel mehr haben alle Männer (manchmal) toxische Aspekte als Teil ihrer Männlichkeit und Verhaltensweisen, genau wie einen (teilweise) kritischen Umgang damit (da beziehe ich mich selbst natürlich mit ein). Kritische Männlichkeit beginnt bei einem selbst.
Weiter glaube ich, dass insbesondere die Hierarchisierung unter Männern zu sehr viel Gewalt von Männern gegen Männer (und natürlich Frauen und andere Geschlechter) führt. Auch daher ist es zentral für Männer sich mit derartigen Themen auseinanderzusetzen, um mehr Freiheiten für sich zu ermöglichen, weniger Gewalt ausgesetzt zu sein, auszuüben und selbstgefährdendes Verhalten zu reflektieren. Die Beschäftigung mit Kritischen Männlichkeiten und pro_feministischen Positionen ist aber auch ein solidarisches Projekt für alle Geschlechter und Orientierungen.
Es ist wichtig eine Praxis der kritischen Männlichkeit als individuellen Prozess zu begreifen. Am Anfang steht das Sichtbarmachen, Akzeptieren und kontinuierliche Hinterfragen von Männlichkeitsanforderungen, toxischem Verhalten und Privilegien von Männern. Männlichkeitsanforderungen abzubauen, eigenes sexistisches Verhalten zu verändern, andere Männer zur Rechenschaft zu ziehen und Benachteiligungen abzubauen ist deutlich schwieriger. Dieser Prozess beginnt immer bei einem selbst und nicht bei den anderen.
Zusammenfassend zu kritischer Männlichkeit:
- Es geht hier nicht darum allgemeingültige Aussagen über alle Männer zu treffen.
- Männlichkeit oder Männer sind nichts schlechtes. Es gibt gute und schlechte Aspekte von Männlichkeit und Verhalten von Männern.
- Es geht nicht um Schuld. Männer stehen unter Druck bezüglich
Männlichkeitsanforderungen und Abweichungen werden hart bestraft (Stichwort: „unmännlich“, „schwul“). - Alle Menschen leiden unter toxischer Männlichkeit.
- Kritische Männlichkeit erwartet keine Wunder von Männern. Es geht erst einmal um eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten, männlicher Sozialisation, Sexismus und den gesellschaftlichen / kulturellen Anforderungen. Es ist nicht möglich dieses erlernte Verhalten von heute auf morgen zu verändern.
- Dennoch ist es wichtig die Privilegien von Männern in dieser Gesellschaft anzuerkennen und Verantwortung zu übernehmen. Männer sind erstmal in einer Machtposition und wir müssen diese Privilegien für mehr Gleichstellung nutzen.
- Die hier vertretenen Positionen zu kritischer Männlichkeit kommen wesentlich aus den Gender, Queer und Men’s Studies (Männlichkeitsforschung). Wir können also festhalten, dass es hier um die Frage geht, was Feminismus Männern zu bieten hat. Und ich glaube, das ist sehr viel.
- Hier unerwünscht: Kritik von Männern am Feminismus und andere anti-feministischen Entgleisungen!
An dieser Stelle empfehle ich diesen Text zu Privilegien und der Herangehensweise an kritische Männlichkeit.
Wir reden hier über einen gesellschaftlichen und individuelle Prozess. Das wird dauern. Um an dem Thema dran zu bleiben, empfehle ich die Bestellung des…
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