Diversität und feministische Positionen akzeptieren

Nicht davon ausgehen, dass Frauen* die gleichen Erfahrungen gemacht / Feministin*nen eine einheitliche Position haben

Punkt vier der fünf Kriterien wieso dieser Blog pro-feministisch ist argumentiert, dass Männer nicht von einer einheitlichen feministischen Position ausgehen sollen. Diese gibt es nämlich nicht, weshalb teilweise von Feminismen gesprochen wird. Zudem haben sich Geschlechterrollen, sowohl von Männern als auch von Frauen (insbesondere seit den sechziger Jahren), erheblich ausdifferenziert. Eine progressive Betrachtung erfordert diesen verschiedenen Weiblichkeiten und Männlichkeiten und auch genderqueeren Identitäten gerecht zu werden. Was aber sagen verschiedene Feministin*nen zum Verhältnis von Männern und Feminismus? Und wie verhalten sich die meisten Männer dazu?

Die Rolle der Frau* hat sich in den letzten 100 Jahren radikal verändert

Frauen* mussten aufgrund ihrer unterdrückten Position über diese nachdenken und sich mit alternativen Rollen anfreunden. Männer hingegen mussten sich aus ihrer privilegierten Position deutlich weniger mit ihrer Rolle auseinandersetzten. Ich glaube, auch daher sind wir teilweise an etwas altmodischen Männlichkeitsvorstellungen hängen geblieben, obwohl sich viel um uns herum verändert hat. Dabei geht das Geschlechterverhältnis und insbesondere Männlichkeit zweifelsohne auch Männer etwas an. In der aktuellen polarisierten Debatte wird es aber so dargestellt, als sei die Geschlechterfrage Frauensache. Männer hingegen werden andauernd nur als Problemfall betrachtet.

Frauen in einer Haushaltsschule 1910 in Deutschland (Wikimedia Commons)
Frauen-hassende Männer? Realität!

Leider verhalten sich viel zu viele Männer als anti-feministischer Problemfall oder schweigen dazu. Das Internet ist voller anti-feministischer Blogs und Trolle. Frauen die über Feminismus und Vergewaltigunskultur schreiben werden mit Gewalt-, Mord- und Vergewaltigungsdrohungen überzogen. Da erscheinen Forderungen, dass Männer einfach mal den Mund halten sollen, nicht ganz unberechtigt. Ich glaube aber nicht, dass es eine erfolgreiche Verhandlung zu Männlichkeit ohne Männer geben kann. Und ich glaube, dass Männer durchaus auch was zum Feminismus sagen dürfen. Dafür müssen wir aber erst mal unsere Hausaufgaben machen.

Männer-hassende Feministin*nen? Eher anti-feministisches Klischee!

Ein in anti-feministischen Argumentationen gerne angeführtes Feinbild ist die „Männer hassende Feministin“. Sibel Schick bezeichnet sich auf ihrem Twitter Account als „männerhassende Influencerin“ und hat mit ihrem Gedicht „Männer sind Arschlöcher“ im August 2018 einen ordentlichen Shitstorm ausgelöst. Dort schreibt sie:

„Du sagst: „Nicht alle Männer sind gleich.“
Ich sage: „Ist das nicht irrelevant vielleicht?“
Denn es ist ein strukturelles Problem,
Und ja, es ist kein individuelles Problem,
Und nein, es geht nicht um Ausnahmen,
Denn es ist ein weltweites Phänomen,
Dass Männer Arschlöcher sind.“

Sibel Schick „Männer sind Arschlöcher

Zugegeben ist die Wortwahl nicht unbedingt schmeichelhaft für Männer. Angesichts des Hasses, der im Internet verbreitet wird, ist der Shitstorm, der auf das Gedicht folgte, aber nur durch den krassen Antifeminismus zu erklären, der in unserer Gesellschaft grassiert. Zum Beispiel kommentiert Carl Oz unter dem Gedicht:

“…danke! ab diesem tag weiss ich, ich darf ALLES mit frauen machen, was ich will. weil ich ein arschloch bin. weil sich das niemals ändert. weil sich das niemals ändern kann. frauen sind ab jetzt nur noch huren für mich.fand ich bis heute nicht okay…“

Leserkommentar zu „Männer sind Arschlöcher

Dazu lässt sich nur sagen:

  • Wenn bei „nicht okay“ die Solidarität mit Frauen aufhört, haben wir ein ernsthaftes Problem
  • Viele der Leserkommentare hätten einen deutlich heftigeren Shitstorm verdient als Sibel Schicks Gedicht
  • Die schreibt übrigens in ihrer lesenswerten Aufforderung an Männer „Mischt euch ein„, dass Männer, die glauben, nicht Teil dieses Problems zu sein, durchaus etwas machen können, nämlich: „Laut werden und darüber reden, was andere Männer getan haben“.
  • Mehr zu antifeministischen Trollen
Umgekehrt gibt es viel mehr Feministin*nen, die ganz andere Töne anschlagen

Beispielsweise haben auch viele Frauen das Gedicht kritisiert. Zwar halte ich den Vorwurf, dass ausgerechnet (radikale) Feministinnen erreichen, dass Männer Frauen nicht ernst nehmen, für eine anti-feministische Verdrehung von Kausalitäten. Aber auch radikale feministische Positionen gehen meist davon aus, dass (die richtigen) männliche Verbündeten benötigt werden. Oder geben meistens zumindest hinweise darauf, was Männer besser machen können. Ein Austausch mit Männern wird aber vermutlich eher funktionieren, wenn dieser ohne Beleidigungen und Vorwürfe einsteigt. So schreibt zum Beispiel Dr. Mithu Sanyal:

„Wenn wir toxische Männlichkeit überwinden wollen, dann müssen wir ihnen erlauben zu detoxen & dazu gehört, über die eigenen Schmerzen und Verletzlichkeiten reden zu dürfen, ja sogar auch über die eigenen Diskriminierungserfahrungen. Das macht keine Diskriminierungserfahrung von Frauen geringer. Auch wenn wir das so in unserer Gesellschaft gewohnt sind: Mir geht es auch schlecht, also stell dich nicht so an. Falsch. Es geht nicht darum, Diskriminierung von Männern gegen Diskriminierung von Frauen auszuspielen, sondern diese zusammen zu denken, um ein System zu ändern.“

Dr. Mithu Sanyal auf pinkstinks.de

Männer müssen sich nicht zu allen Aspekten des Feminismus äußeren. Und Frauen müssen nicht nett zu Männern sein. Wir brauchen aber dringend mehr pro-feministische männliche Stimmen, denn momentan füllen Antifeministen diese Lücke. Daher scheint die Aufforderung, dass Männer (erst mal) zuhören sollen absolut gerechtfertigt.

Eine pro-feministische Debatte unter Männern, muss sich mit Argumenten von Feminstin*nen auseinandersetzen, darf sich aber natürlich nicht die freundlichsten Perspektiven aussuchen. Das würde Feminismus lediglich zu einem „zahnlosen Tiger“ machen und dazu führen, dass „nicht mehr die Frauen festlegen für was oder wogegen es sich zu kämpfen lohnt, sondern die Männer“ (wie hier argumentiert wird). Männer brauchen sicherlich auch freundliche Gesprächsangebote. Diese gibt es allerdings und wir können bei dem Frauen*hass in unserer Gesellschaft nicht die Position vertreten, dass Feministin*nen dazu verpflichtet sind. Bevor wir also Feminismus kritisieren, sollten wir uns um andere Themen kümmern.

Hier findet Ihr die fünf vorgeschlagenen Kriterien, die zu beachten sind, um sich pro-feministisch mit Männlichkeit auseinander zu setzten:
  1. Reflektieren männlicher Privilegien
  2. Stereotype (über Männer, Frauen und alle anderen) vermeiden
  3. Feministische Perspektiven und Kritik ernst nehmen
  4. Nicht davon ausgehen, dass Frauen* die gleichen Erfahrungen gemacht / Feministin*nen eine einheitliche Position haben
  5. Männliches Verhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen

Dies ist ein pro-feministischer Blog, der sich mit Themen der Männlichkeit und darüber hinaus auseinandersetzt. Wenn Du zum ersten mal hier bist, lohnen sich vielleicht diese zwei Texte: Was ist kritische Männlichkeit? und Herangehensweise an kritische Männlichkeit.

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