Antifeminismus und warum wir pro-feministische Männer brauchen

Mehr Männer müssen klar gegen Antifeminismus Position beziehen!

Es macht aus verschiedenen Gründen Sinn, sich mit Antifeminismus auseinanderzusetzen. Beispielsweise wenn ich:

  • Anti-feministische Argumente erkennen möchte
  • Selbst kein Antifeminist sein will (womit ich noch kein (pro-)Feminist bin)
  • Die Strukturen verstehen möchte, die Frauen zum schweigen bringen
  • Die Notwendigkeit für eine pro-feministische Männerbewegung erkennen möchte
  • Verstehen will wie diese Argumentationen vom „rechten Rand“ in der gesamten Gesellschaft wirken

Antifeminismus

Der (sich noch im Aufbau befindende) Diskursatlas Antifeminismus schreibt zu Antifeminismus:

„Antifeminismus umfasst verschiedene gesellschaftliche Strömungen, Akteur*innen und Netzwerke, die sich in ihren Äußerungen gegen Geschlechterforschung, das Wort „Gender“, Feminismus, Frauenbewegungen oder universale Geschlechtergleichheit richten und dagegen mobilisieren. Sie fordern z.B. die Abschaffung des Gender Mainstreaming, der Gleichstellungspolitik oder der Geschlechterforschung, sowie teilweise die Entfernung von Frauen aus öffentlichen Positionen. Sie greifen dabei auf diskursive Mittel der Verdrehung, Beleidigung, Verunglimpfung zurück.“

Diskursatlas Antifeminismus
Antifeminismus im Spiegel: Frauenwahlrecht abschaffen?

Auf Spiegel Online ist kürzlich eine Kolumne erschienen: „War die Einführung des Frauenwahlrechts ein Fehler? Ich habe mich das Anfang der Woche ernsthaft gefragt, als ich las, dass [Justizministerin] Katarina Barley das deutsche Wahlrecht ändern will“, um mehr Frauen ins Parlament zu bringen. Denn bei der letzten Bundestagswahl waren nur 31% der Abgeordneten Frauen und damit erstmals weniger als in der vorherigen Legislaturperiode.

Postkarte gegen das Frauenwahlrecht von Wikimedia Commons

Es würde vermutlich keiner „ernsthaft“ darüber nachdenken, allen Männern das Wahlrecht abzuerkennen, wenn sich einer anti-feministisch oder frauenfeindlich äußert. Der Autor behauptet unter Berufung auf einen Juraprofessor, dass…

„[D]ie Idee einer Aufteilung der Parlamente entlang der Geschlechtergrenze ein Akt der Antiaufkärung [sei], weil er ein Kriterium [Geschlecht] zurückholt, das aus gutem Grund zugunsten einer inklusiven Idee von staatsbürgerlicher Gleichheit aufgegeben wurde.“

Spiegel Online

Damit verdreht er die emanzipatorische Idee einer Quote in einen anti-emanzipatorischen Akt. Und weiter:

„[W]ird sich unweigerlich die Frage stellen, ob auch andere Gruppen gemäß ihrer gesellschaftlichen Stellung angemessen in den Parlamenten vertreten sind. Das Antidiskriminierungsgesetz, in dem Geschlecht ja nur ein Kriterium unter vielen ist, gibt einen Hinweis darauf, wohin der Wegführen würde.“

Spiegel Online

Für den Spiegel-Autor öffnet der Wunsch nach politischer Partizipation aller deutscher Bürger „ein Tor zur Hölle.

Warum brauchen wir mehr Frauen im Parlament?

Im Kontext des 100jährigen Frauenwahlrechts wurde übrigens auch die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Spiegel interviewt:

  • Als sie 1990 als Abgeordnete im Bundestag anfing wurde sie gefragt ob sie „nicht auch gleich Schriftführerin werden wolle. Es sei immer schön, wenn man da ein paar nette Frauen sitzen habe.“
  • Ihr wurde gesagt: „So schlecht sehen Sie gar nicht aus, Sie hätten doch heiraten können, statt in die Politik zu gehen.“
  • Als ich Gesundheitsministerin wurde, da fragte ein Journalist einen Professor: Bei diesem Amt geht es ja um sehr viel Geld. Kann eine Frau das überhaupt?

Und weiter sagt Ulla Schmidt:

„Wir [Frauen] mussten früher unheimlich dafür arbeiten, dass unsere Themen überhaupt auf die Tagesordnung kamen.Ich erinnere noch sehr genau, wie wir versuchten, das Namensrecht zu verändern. […] Bei diesen Gesprächen kamen alle Vorurteile dieser Welt auf den Tisch. Wie sollte der Mann in Zukunft die Ehre der Familie weitergeben? Und so weiter. Aber es gab auch großen Zusammenhalt der Frauen über die Fraktionsgrenzen hinweg, zum Beispiel bei der Unterstrafestellung der Vergewaltigung in der Ehe.“

Ulla Schmidt auf Spiegel Online
Courtesy www.guerrillagirls.com – Copyright © Guerrilla Girls
Zurück zum Antifeminismus:  Feminismus ist der emanzipatorische Kampf

Zu Antifeminismus schreibt der Diskursatlas weiter:

„Agitation gegen „Gender-Gaga“, die „Frühsexualisierung“ oder den „Gleichheitswahn“ des Feminismus bildet ein verbindendes Element, einen Kitt, zwischen (national)konservativen, rechtspopulistischen, sowie rechtsextremen Einstellungen und Politiken, die bis in die Mitte der Gesellschaft wirken. Das „Feindbild Feminismus“ ist kollektiver Bezugspunkt für reaktionäre Bewegungen. Bei näherem Blick auf den Antifeminismus eröffnet sich jedoch ein ganzes Feld an Aussagen, Themen und wiederkehrenden Motiven. Sexualisierung der Kinder, die Gefährdung der Nation, die Abschaffung der Familie oder „verweiblichung“ der Männer: In verschiedenen Diskursthemen sammelt und verknüpft der Antifeminismus eine Bandbreite an Äußerungen und Ideen, welche eigene Wahrheiten schafft und kollektives Handeln prägt.“

Diskursatlas Antifeminismus

Im Diskursatlas Antifeminismus wird also aufgezeigt, wie verschiedene anti-feministische Narrative (und Diskursthemen) miteinander Verkettet werden. Eines dieser Narrative, welches auch der Spiegel-Kommentator bemüht, ist (bedrohliche) Political Correctness, welche sich „gegen emanzipatorische Praktiken […] sowie gegen Antidiskriminierungs-Maßnahmen wendet“. Wie anhand des Spiegel Artikels gezeigt, werden in diesem Narrativ „Emanzipatorische Anstrengungen als diktatorische Zwangsmaßnahmen [… ‚entlarvt‘, es] erklärt marginalisierte Minderheiten zu Unterdrückern der Mehrheit und desavouiert das Korrekte als das wahrhaft Falsche“ (siehe Political Correctness).

Antifeminismus in der Welt: Homosexualität ein Defizit?

Die Verknüpfung verschiedener Narrative lässt sich auch gut in diesem Kommentar in der Welt mit dem Titel „Ich bin wohl homophob. Und das ist auch gut so“ erkennen:

So werden auch hier diktatorische Zwangsmaßnahmen erkannt, der Welt-Autor spricht gar von „Inquisition“ (siehe die Narrative Political Correctness und Sprachpolizei, letztere unterstellt: „Hier spielt sich jemand illegitimerweise als Instanz auf, die anderen vorschreibt, was sie sagen dürfen„).

„Wären wir in Spanien, könnte ich ihn anzeigen, weil er gegen den dort gültigen Homophobie-Paragrafen verstoßen hat. […] Bei uns würde ihm zumindest die öffentliche Ächtung drohen, der Ausschluss aus der Gemeinschaft der Demokraten.“

Welt

Bemüht das Narrativ der Natürliche Geschlechterordnung, welche eine „Naturrechts-Konzeptionen […] gegen die Menschenrechte in Stellung“ bringt und „bestimmte […] Geschlechterarrangements wie die gleichgeschlechtliche Ehe und Partnerschaft als ‚wider die Natur‘ bzw. ‚widernatürlich‘ zu verunglimpfen“:

„Was für ein Eiertanz um die einfache Tatsache, dass die schwule Liebe selbstverständlich eine defizitäre ist, weil sie ohne Kinder bleibt. Der Philosoph Robert Spaemann hatte es in einem Interview mit der „Welt“ so ausgeführt: „Das Natürliche ist auch moralisches Maß für die Beurteilung von Defekten. Nehmen Sie die Homosexualität: Die Abwesenheit der sexuellen Anziehungskraft des anderen Geschlechts, auf dem die Fortexistenz der menschlichen Gattung beruht, ist ein solcher Defekt. Aristoteles nennt das einen Fehler der Natur. Ich sage, es ist einfach ein unvollständig ausgestattetes Wesen, wenn es über die Dinge nicht verfügt, die zu einem normalen Überleben gehören.“

Welt

Dazu mischt noch weitere Narrative mit ein, wie:

  • Traditionellen Familie, deren Auflösung zum „Niedergang der Nation“ führe und unterstellt: „Nur in der traditionellen Familie könnten Kinder „gesund“ heranwachsen, andernfalls käme es vermeintlich zu einer schädlichen Eltern-Kind-Entfremdung („Parental-Alienation-Syndrome“ PAS).
  • Frühsexualisierung, welche „suggeriert, Sexualpädagogik wolle Kinder und Jugendliche mit Themen konfrontieren, die nichts mit ihrem Leben zu tun hätten, als pflanze man die schuldige Sexualität der Erwachsenen in unschuldige Kinder“, „eine Bedrohung […], an der die Gender-Ideologie die Hauptschuld trage“ und welches insbesondere für Frauen gilt.

„Ihr Verbrechen? Sie propagiert die Familie, für die in unserer Gesellschaft sehr wenig getan wird.“

Welt

„… die Petition von über 200.000 Eltern gegen das rotgrüne Programm einer Sexualerziehung, in der, als fächerübergreifender Grundton, die Vielgestaltigkeit und Gleichheit aller sexuellen Vorlieben gepredigt werden soll: Homosexualität, Bisexualität, Transsexualität, alles völlig normaaaal. Alles wurscht.“

Welt

„..ich habe nach wie vor Reserven, wenn ich im Fernsehen zwei schwule Männer serviert bekomme, die perfekte Eltern sind und völlig normaaaal einen kleinen Jungen adoptiert haben, oder eine andere Kleine mit ihrer Liebe beschenken, die sie sich über Leihmütter in der Ukraine oder Indien organisiert haben. Ich glaube nicht, dass die Ehe zwischen Männern oder Frauen gleichen Geschlechts derjenigen zwischen Mann und Frau gleichwertig ist. […] Doch ich glaube auch an die Polarität der Schöpfung und daran, dass es für Kinder wichtig ist, diese Polarität zu erleben.“

Welt
Anti-feministische Akteure und Strukturen

Das „Feinbild Feminismus“ vereint (national)konservative, populistische, rechtsextreme und andere reaktionäre Bewegungen mit der mehr oder weniger organisierten anti-feministische Männerrechtsbewegung (wie zum Beispiel den Incels („involuntarily celibate“ / unfreiwillig enthaltsamen), MANNdat und agens, vergleiche hierzu die Publikationen der Heinrich Böll (PDF) und Friedrich Ebert Stiftung (PDF)). Letztere schreibt zur „Männerbewegung (wenn man von einer solchen überhaupt sprechen will) existieren progressive und rückwärts gewandte Strömungen von jeher nebeneinander. […] Ein einheitlicher [pro-feministischer] Kurs war und ist nicht erkennbar“ (S. 16).

(Anmerkung: Die Männerrechtsbewegung ist gezielt frauenfeindlich und anti-feministisch, wie die Male Supremacy Bewegung um Donald Trump oder MANNdat und agens in Deutschland. Die Männerbewegung befasst sich mit Themen aus der Lebenswelt von Männern und ist nicht zwangsläufig frauenfeindlich und anti-feministisch, aber eben doch zum Teil.)

Diese Männerrechtsbewegung „stellt eine sich formierende‚ soziale Bewegung dar: ein Netzwerk von Personen und Organisationen, welches mittels unterschiedlicher Mobilisierungs und Handlungsstrategien versucht, sozialen Wandel herbeizuführen, zu verhindern oder rückgängig zu machen„(vergleiche ebenfalls FES PDF, S. 32). Der für den Diskursatlas redaktionell verantwortliche Andreas Kemper wies auch kürzlich bei einem Vortrag in Hamburg auf die zunehmende europäische und internationale Vernetzung dieser Gruppierungen hin, teils mit beträchtliche finanziellen Mitteln durch rechte Kirchliche Gruppierungen ausgestattet (vergleiche auch taz).

Wie umgehen mit Antifeminismus?

Ich denke, es ist wichtig sich mit anti-feministischen Argumentationssträngen auseinanderzusetzen. Wir sollten in der Lage sein gegen den Kern dieser Narrative argumentieren zu können. Selbst wenn sich jemand nicht zum Feminismus bekennt, sollten er (oder sie) mindestens versuchen anti-feministische Argumente nicht andauernd zu reproduzieren. 

Es ist ein Armutszeugnis, dass es keine pro-feministische Männerbewegung gibt. Pro-feministische Männer (oder die, die es sein wollen) sollten versuchen sich aktiv gegen diese Akteure zu stellen. Frauen* sollten im Kampf gegen diese nicht alleine gelassen werden, selbst wenn dies in einigen Situationen unangenehm für uns Männer ist. Das geht Feministin*nen nicht anders, denen wir in in solchen Diskussionen Gehör verschaffen müssen.

Wir sollten aber auch pro-aktiv Männer in unserem Umfeld, wie Freunde und Familie auf derartiges hinweisen. Nicht nur wenn sie anti-feministische Argumente reproduzieren. Das passiert übrigens andauernd und meistens merken wir es gar nicht.

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Dies ist ein pro-feministischer Blog, der sich mit Themen der Männlichkeit und darüber hinaus auseinandersetzt. Wenn Du zum ersten mal hier bist, lohnen sich vielleicht diese zwei Texte: Was ist kritische Männlichkeit? und Herangehensweise an kritische Männlichkeit.

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